Dienstag, 21. Juli 2009

Das Semester neigt sich dem Ende und das Beste waren die Partys. Das erste Semester war spannender - ich liebte die Literaturtheorie -, wahrscheinlich, weil alles noch so neu war. Nächstes Semester werde ich schon zum alten Eisen gehören und andere die Frischlinge, das Frischfleisch sein. Vor allem weil man auf den Partys mittlerweile viele Leute kennt, die üblichen Verdächtigen. Mittlerweile werde ich schon gar nicht mehr eingeladen, weil alle schon wissen, wenn es eine Party gibt, dann bin ich da, oder in Logik-Sprech: ∀x∃y: Party(x) → anwesend(x,y) für y = Ich. Nicht ganz sauber, aber lesbar. Es gibt sogar ein paar Kandidaten, die einem One-Night-Stand nicht abgeneigt gegenüberstehen (wird das meinen Vater schockieren) und später keinen Stress machen würden. Ich habe keine Lust mich zu binden oder festzulegen. Sowas nennt man "moderne Frau" oder Bindungsangst.

In den meisten Seminaren sitzt Bettina neben mir, was für meine Konzentration auch nicht förderlich ist. Zumindest das Quasseln im Seminar habe ich ihr schon abgewöhnt. Entweder wird laut diskutiert oder gar nicht. Das hält uns aber nicht davon ab Zettelchen zu schreiben oder Pen and Paper Spielchen zu spielen oder ein wenig Origami zu praktizieren. Ich habe ihr gezeigt, wie man einen Würfel und sie mir, wie man einen Dampfer faltet. Dafür muss es aber im Seminarraum eine hinterste Reihe geben, in denen man sich abducken kann. Wenigstens lesen wir die Texte und das ist doch schon etwas, wenn man bedenkt, dass sich die Textlesequote bei 15 - 20 % einzupegeln scheint.

Manche Fetzen der Seminare sind aber ziemlich lustig. Man hört ja weiter zu, mit einem halben Ohr und dann kann man mitlachen:

Student: Für mich sind das völlig normale Wahnvorstellungen. Er bohrt sich den Kopf auf, macht sich dumm und ist dann glücklich.
Dozent 1: Das Glück ist eine Wahnvorstellung.
Dozent 2: *schüttelt den Kopf*

Das Seminar artete in eine Mustersuche aus, die viel Gelächter produzierte. Der Name Sol wird zur Sonne, wird zum Namen Saul. Ein Drahtgestell zur Ameise, zu einem Herzen usw. Alle freuen sich einmal über den Dozenten lachen zu dürfen, der auch bei seinem Kollegen keine Unterstützung findet. Und dann sieht er auch überall Ameisen, die die Weltherrschaft erobern wollen.

Das langweilt dich sicher, aber du willst ja immer alles wissen, auch das Langweilige. Vielleicht sollte ich mal einen Tag protokollieren. Minute um Minute, akribisch festhalten, aber dann wäre ich nur mit schreiben beschäftigt und würde darüber schreiben, wie ich darüber schreibe, wie ich darüber schreibe ... das ich schreibe.

XOXO

Samstag, 11. Juli 2009

Etwas selber schreiben. Der Gedanke mutet mir etwas seltsam an. Zugegeben ich habe dich sehr früh dazu angehalten selbst zu schreiben, das muss aber nicht heißen, dass ich selber schreiben will, vielmehr geschah dies, wie ich dir auch mitteilte, damit ich deine Tagebücher lesen konnte. Ich errinnere mich daran, wie ich dir Geschichten vorgelesen habe und an einer spannenden Stelle abbrach und dich die Geschichte zuende erzählen ließ. Wie ich dir schon früh lesen beibrachte und dir beibrachte, schon als kleines Kind, Tagebuch zu führen. Damals hast du es mir stolz jeden Abend vorgelesen. So war es mir am liebsten, denn Reden ist nicht so meine Sache, aber zuhören schon. Als du größer wurdest und mir nicht mehr vorlesen wolltest habe ich dir gesagt, das das nichts macht, da ich es selbst lesen kann und dir gesagt, das du, wenn du dies nicht willst, dir etwas einfallen lassen must. Verstecken, verschlüsseln, und so weiter. Ich fütterte dich mit Ideen, denn ich war mir sicher, wenn ich dein Tagebuch in die Hände bekäme, dann würde ich es lesen. Nicht um in deine Privatspäre einzudringen, sondern weil ich neugierig bin. Du hast mich immer dabei beobachtet, wie ich bei Freunden und auch bei Fremden keine Hemmungen hatte mich in der Wohnung umzusehen und nicht Schubladen und Schränke zu öffnen. Ich muss sowas einfach wissen.

Die Zeiten da ich dein Tagebuch lesen konnte sind vorbei. Zu gut habe ich dir gezeigt, wie man Daten verschlüsselt, sichere Passwörter findet, seine Spuren im Netz verwischt. Deine ersten Seiten im Netz habe ich noch gefunden, sei es über den Cache des Browsers oder weil du deinen Namen benutzt hast. Ich habe gern gelesen, was du geschrieben hast. Aber dass ist dir ja alles so peinlich. Eltern dürfen nicht wissen, mit wievielen Jungs ihre Tochter schläft, oder gar welche Sexualpraktiken sie bevorzugt. Selbst scheinbare Nichtigkeiten werden unangenehm, wenn der Vater es liest. Dabei habe ich dich nie verurteilt sondern nur Ratschläge gegeben und dich unterstützt.

In unseren Gesprächen habe ich immer das Gefühl, dass jeder von uns beiden eine Rolle spielt, nicht ganz offen ist. Viellleicht sollten wir diesen neutralen Ort nutzen, nicht deine Wohnung, nicht unsere Wohnung, diese Distanz zwischen Schreiber und Leser um ehrlicher zu sein als wir es je in der Vergangenheit gewesen sind. Das ist es was ich mir wünsche, das was ich erhoffe.

Hab dich lieb.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Hallo.

Eigentlich habe ich meinem Vater dieses Blog zu seinem, unserem gemeinsamen, Geburtstag geschenkt, da er meinte, wir würden uns kaum noch sehen oder miteinander reden, seit ich mein Studium begonnen habe. Als wenn dies meine Schuld wäre. Immerhin ist er der Telefonmuffel. Doch bis jetzt ist hier noch nichts passiert, obwohl er ständig im Netz unterwegs ist und bei vielen Blogs mitliest. Lesen ist sein Element. Schreiben tut er wenig im Netz, und schon gar nicht unter seinem echten Namen. Er traut all niemanden und hat Angst um seine Daten, was immer das auch heißen soll. Ich dagegen bin auf verschiedenen Seiten aktiv. Zugegeben unter Pseudonymen, dass habe ich wohl von ihm, aber immerhin.

So Papa, du wolltest mehr Kontakt mit mir, mehr in mein Leben involviert sein, ohne mehr zu telefonieren. Hier bin ich und warte auf dich. Ich weis, dass dein RSS-Reader die Aktivität auf DEINEM Blog registrieren wird. immerhin habe ich ihn selbst hinzugefügt, Weihnachten schon. Ich warte und hoffe, das wir hier so schöne Gespräche miteinander haben werden, wie wir es zu hause hätten.


XOXO