Samstag, 11. Juli 2009

Etwas selber schreiben. Der Gedanke mutet mir etwas seltsam an. Zugegeben ich habe dich sehr früh dazu angehalten selbst zu schreiben, das muss aber nicht heißen, dass ich selber schreiben will, vielmehr geschah dies, wie ich dir auch mitteilte, damit ich deine Tagebücher lesen konnte. Ich errinnere mich daran, wie ich dir Geschichten vorgelesen habe und an einer spannenden Stelle abbrach und dich die Geschichte zuende erzählen ließ. Wie ich dir schon früh lesen beibrachte und dir beibrachte, schon als kleines Kind, Tagebuch zu führen. Damals hast du es mir stolz jeden Abend vorgelesen. So war es mir am liebsten, denn Reden ist nicht so meine Sache, aber zuhören schon. Als du größer wurdest und mir nicht mehr vorlesen wolltest habe ich dir gesagt, das das nichts macht, da ich es selbst lesen kann und dir gesagt, das du, wenn du dies nicht willst, dir etwas einfallen lassen must. Verstecken, verschlüsseln, und so weiter. Ich fütterte dich mit Ideen, denn ich war mir sicher, wenn ich dein Tagebuch in die Hände bekäme, dann würde ich es lesen. Nicht um in deine Privatspäre einzudringen, sondern weil ich neugierig bin. Du hast mich immer dabei beobachtet, wie ich bei Freunden und auch bei Fremden keine Hemmungen hatte mich in der Wohnung umzusehen und nicht Schubladen und Schränke zu öffnen. Ich muss sowas einfach wissen.

Die Zeiten da ich dein Tagebuch lesen konnte sind vorbei. Zu gut habe ich dir gezeigt, wie man Daten verschlüsselt, sichere Passwörter findet, seine Spuren im Netz verwischt. Deine ersten Seiten im Netz habe ich noch gefunden, sei es über den Cache des Browsers oder weil du deinen Namen benutzt hast. Ich habe gern gelesen, was du geschrieben hast. Aber dass ist dir ja alles so peinlich. Eltern dürfen nicht wissen, mit wievielen Jungs ihre Tochter schläft, oder gar welche Sexualpraktiken sie bevorzugt. Selbst scheinbare Nichtigkeiten werden unangenehm, wenn der Vater es liest. Dabei habe ich dich nie verurteilt sondern nur Ratschläge gegeben und dich unterstützt.

In unseren Gesprächen habe ich immer das Gefühl, dass jeder von uns beiden eine Rolle spielt, nicht ganz offen ist. Viellleicht sollten wir diesen neutralen Ort nutzen, nicht deine Wohnung, nicht unsere Wohnung, diese Distanz zwischen Schreiber und Leser um ehrlicher zu sein als wir es je in der Vergangenheit gewesen sind. Das ist es was ich mir wünsche, das was ich erhoffe.

Hab dich lieb.

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